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Fledermäuse auf der Nordbahntrasse

Der Fledermausexperte Prof. Dr.-Ing. Reinald Skiba, em., zu Fledermäusen in Wuppertal und zum Stellenwert nationaler und internationaler Artenschutzbestimmungen.

Auf der alten Bahntrasse der Rheinisch-Märkischen Strecke in Wuppertal wird ein Fahrrad- und Fußgängerweg erstellt. Federführend und damit verantwortlich für den Bau ist die – von der Stadtverwaltung Wuppertal gestützte – „Wuppertal-Bewegung“. Der NVW hat im Vorfeld umfangreiche Untersuchungen im Auftrag des Umweltamtes der Stadt durchgeführt. Diese Untersuchungen hatten das Ziel, dem Natur- und Umweltschutz zu seinem Stellenwert innerhalb des Projektes zu verhelfen. Für den NVW sind u.a. Prof. Dr. Reinald Skiba für den Fledermaussektor und Jörg Liesendahl für die rechtlichen Belange des Natur- und Umweltschutzes tätig.

Leider stehen Teile der Bevölkerung diesen Bemühungen ablehnend, ja feindselig gegenüber, besonders wenn schutzwürdige Populationen etwa von Fledermäusen oder Kammmolchen das Projekt tangieren und beeinträchtigen. Es wird von Einigen nicht anerkannt, dass lediglich bestehendes Natur- und Artenschutzrecht (sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene) eingefordert wird. Den Umweltschützern wird jedoch ein Boykott der Trasse vorgeworfen. Dabei wird ständig – mit Duldung, ja sogar Unterstützung der Stadt – gegen bestehendes Recht verstoßen, der Stadt droht sogar der Klageweg.

Aber nicht nur im Natur- und Umweltbereich, sondern auch im technischen Bereich droht der Stadt Ärger. Nach eigenen Angaben hat die Stadt Wuppertal keinen Sicherheitsbeauftragten oder Sicherheitsingenieur – was eindeutig ungesetzlich ist! Die Sicherheit der Trasse muss jedoch oberste Priorität bei dem Bau haben und überall gewährleistet werden, sei es auf der Trasse selbst, auf den Viadukten oder ganz besonders in den Tunnels.

Vor diesem Hintergrund hat Prof. Skiba im Folgenden die Bedenken beleuchtet, die für den Fledermausschutz relevant sind.

 

 

Die Wuppertaler Bürger sind sehr daran interessiert, dass die Nordbahntrasse baldmöglichst gebaut und für Fußgänger und Radfahrer nutzbar wird. Sie sollte für Mensch und Natur Raum bieten. Entsprechend sind auch die dort vorhandenen zahlreichen Fledermäuse als bedeutender Teil unserer ständig ärmer werdenden Natur zu beachten. Als Vorschläge für eine sachliche Diskussion soll versucht werden, die wichtigsten Gesichtspunkte über Fledermäuse in den 7 Tunneln der Nordbahntrasse von Wuppertal objektiv vorzustellen. Ich war etwa 140mal meist nachts ehrenamtlich zu Untersuchungen in allen 7 Tunneln der Trasse tätig gewesen.

Warum sind Tunnel für Fledermäuse wichtig?

Da Fledermäuse sich bei uns nachts mit Hilfe von Ultraschall nur von Insekten ernähren, müssen sie bei Nahrungsmangel Winterschlaf halten, entweder bei uns oder nach Wanderung weit im Südwesten. In den letzten Jahrzehnten haben zunächst alle Arten stark abgenommen. Ursache waren vor allem die Pestizide, besonders DDT und ähnliche Gifte. Nachdem diese Stoffe seit einigen Jahren in Deutschland verboten sind, haben manche – nicht alle! – Arten wieder zugenommen. Da in Wuppertal Bäume mit geeigneten Höhlen, Zugänge auf Dachböden usw. nur noch in geringer Zahl vorhanden sind, versuchen die Fledermäuse die Tunnel als Tages- und Winterquartiere zu nutzen.

 Wie groß ist die Zahl der Fledermäuse in den 7 Tunneln?

In den Jahren 2008 bis 2009 im Frühjahr, Sommer und Frühherbst waren es mit 8 Arten 200 Fledermäuse. 2010 verringerte sich wegen erheblicher Bauarbeiten, nicht statthafter Veranstaltungen und Vandalismus die Zahl auf nur noch 20 Fledermäuse (10 %). Im Herbst 2011 wurden 53 (26 %) Fledermäuse beobachtet. Es ist anzunehmen, dass die Tiere in den kommenden Jahren wieder in die Tunnel zurückkehren werden, sofern diese für Fußgänger, Radfahrer und Fledermäuse sinnvoll erstellt werden. – Im Winter sind allerdings schlafend in allen Tunneln bedeutend mehr Fledermäuse vorhanden. Ein Teil dieser Tiere kommt im Herbst von Nordosten aus Entfernungen über viele Kilometer hierhin.

Welche Arten von Fledermäusen sind das?

Bei meinen Untersuchungen: Zwerg-, Wasser-, Rauhautfledermaus, Großes Mausohr, Teich-, Alpen-, Bartfledermaus, Kleiner Abendsegler, wahrscheinlich auch weitere.

Wie lauten die gesetzlichen Vorschriften für den Schutz der Fledermäuse?

Alle Fledermäuse sind nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union streng geschützt, außerdem ist deren Lebensraum besonders zu schützen. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es u. a. nicht gestattet, Fledermäuse mutwillig zu beunruhigen, zu fangen oder zu töten. Ihre Lebensstätten dürfen weder beeinträchtigt noch zerstört werden. Alle Fledermäuse dürfen während der Überwinterungs- und Wanderungszeiten nicht erheblich gestört werden. Eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Es ist verboten, u. a. Tunnel, die als Winterquartiere für Fledermäuse dienen, in der Zeit vom 1.10. bis 31.3. aufzusuchen. Verstöße können zu sehr erheblichen Bußgeldern und Freiheitsstrafen führen. Eine Befreiung kann auf Antrag gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Diese Befreiung ist laut Bezirksregierung Düsseldorf für die Nordbahntrasse nicht möglich. Wenn es jedoch gelingt, dass die Fledermäuse vollständig und nachweisbar aus den Tunneln in Ersatzquartiere ausweichen bzw. wenn sie am Tunnel Schee die Oströhre als alleiniges Quartier annehmen, gilt ein Tunnel als fledermausfrei.

Warum bestehen solche Vorschriften?

Fledermaus-Populationen können sich nur langsam entwickeln, da die Tiere jährlich in der Regel nur 1 Junges gebären. Sie werden bedauerlicherweise auch heute noch u. a. verletzt und getötet. Daher bedarf es des staatlichen Schutzes.

Sind Befreiungen der Stadt Wuppertal für Bauarbeiten in den Tunneln im Winter gestattet?

Nein, da keine z w i n g e n d e n Gründe vorliegen (vgl. Angaben vorher). Ein unrechtmäßiges Genehmigungsverfahren der Stadt Wuppertal trotz winterschlafender Fledermäuse Winterbauarbeiten im Engelnberg-Tunnel durchzuführen, wobei überdies mit Drahtschlingen Fledermäuse aus den Gesteinsspalten herausgezogen wurden, um sie zwangsweise umzusiedeln, hat die Bezirksregierung per Baustopp zurückgezogen.

Können in den Tunneln Radfahrer und Fußgänger verkehren, ohne dass die Fledermäuse wesentlich gestört werden?

 

Von Frühjahr bis Frühherbst können Radfahrer und Fußgänger entlang aller Tunnel gehen und fahren, doch sind für Herstellung und Benutzung der Tunnel Bedingungen zu erfüllen, z. B. müssen geeignete Schlitze und Hohlräume als Fledermausverstecke vorhanden sein, Klimaverhältnisse dürfen nicht grundlegend verändert werden, Lichtanlagen sind in den Tunneln nicht oder nur sehr bedingt benutzbar, weil Fledermäuse darauf empfindlich reagieren. Auch müssen in den Tunneln Arten und Anzahl der Fledermäuse zukünftig regelmäßig überprüft werden. Der Umgang mit Feuer, Lärm und sonstige Störungen sind zu unterlassen. Sollten solche mutwilligen Störungen durchgeführt werden, sind Untere Landschaftsbehörde und Polizei zu unterrichten und erforderlichenfalls wird ständige Sperrung der betreffenden Tunnel notwendig. – In allen 7 Tunneln der Nordbahntrasse befanden sich in den letzten Jahren winterschlafende Fledermäuse. Daher ist es laut Gesetz (vgl. oben) verboten, in der Zeit vom 1.10. bis 31.3., bei sehr kalter Witterung auch etwas länger, die Tunnel zu betreten, zum Teil auch aus Sicherheitsgründen wegen Eisgefahr.

Wie sollte in Zukunft für Bau und Betrieb der Trassen-Tunnel vorangegangen werden?

 

Bei Herstellung und späterem Betrieb müssen Stadt, Wuppertalbewegung, Nordbahntrassen GmbH und Naturschutzverbände besser miteinander arbeiten. Dazu gehört vor allem, dass a l l e Seiten Kompromisse eingehen, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Es ist nicht möglich, wie Stadt Wuppertal und Wuppertalbewegung verlangen, „die Trasse 365 Tage im Jahr rund um die Uhr befahrbar zu machen“. Das Gesetz verbietet dies sinnvoll ausdrücklich (siehe oben). Alle Wuppertaler Bürger und ebenso die Naturschutzverbände, auch der Naturwissenschaftliche Verein in Wuppertal, wollen eine vernünftige und möglichst baldige Erstellung der Nordbahntrasse. Pflicht ist es dabei auch, sich für den Erhalt der Natur in angemessener Form einzusetzen. Polemische Attacken auf bestimmte Personen, die auf das Gesetz hinweisen, sind destruktiv. Schließlich darf man für sich im Straßenverkehr auch nicht gegen das Gesetz verlangen, bei roter Ampel über die Straße zu gehen oder zu fahren.

 

Wo kann man über Fledermäuse mehr erfahren?

Aus Buchhandlungen, Bibliotheken und dem Internet. Für Wuppertal: aus Bd. 61 und 62 Jahresberichte des Naturwissenschaftlichen Vereins in Wuppertal. Weitere Hinweise: Arbeitskreis Fledertierschutz Solingen, Niederstr. 10, 42697 Solingen, Biologische Station Mittlere Wupper, Vogelsang 2, 42653 Solingen, Untere Landschaftsbehörde der Stadt Wuppertal, Johannes-Rau-Platz 1, 42275 Wuppertal, Landesbüro der Naturschutzverbände NRW, Ripshorster Str. 306, 46117 Oberhausen.

 

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Datum: 08.02.2010 / 07.01.2011/17.02.2012

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