Bahnhof Wuppertal-Mirke
Am 21.Juni 2008 führte der NVW eine naturkundliche Halbtagsexkursion zum Bahnhof Mirke durch. Dr. Armin Radtke (Schmetterlinge) und Wolf Stieglitz (Pflanzen) zeigten den 16 Teilnehmern die Besonderheiten eines aufgelassenen Bahnhofs, der „Natur aus 2. Hand“ darstellt. Diese Standorte zeigen eine eigene Dynamik, die von der normalen Sukzession abweicht. Die klassischen Vegetationseinheiten lassen sich allenfalls fragmentarisch aufzeigen, zu beobachten sind Trittpflanzen, Bestandteile der Natternkopf-Steinklee-Flur und des Beifuß-Gestrüpps, aber auch viele Arten ohne pflanzensoziologischen Anschluss.
Für ein solches Bahnhofsgelände typisch sind folgende Parameter:
- Neben der einheimischen Flora sind verhältnismäßig viele „Gäste“ vorhanden
- Der Boden (Gleisschotter, Bahnsteige) hat wenig Krume und lässt vorhandenes Oberflächenwasser schnell versickern, Vorteil für trockenheitsliebende Arten
- Der Schotter erwärmt sich schnell und hält die Wärme lange, Voraussetzung für wärmeliebende Arten
- Durch die geringe bis fehlende Humusauflage verzögert sich die Sukzession zu einer Klimax-Gesellschaft, so dass die einheimische Flora wesentlich länger braucht, um Besitz von den Flächen zu ergreifen. Eingeschleppte Arten können sich so länger auf den Flächen halten, ohne den Konkurrenzdruck ertragen zu müssen.
Der Bahnhof Mirke weist wie kaum ein anderer Bahnhof der Rheinisch-Märkischen Strecke eine ungewöhnlich hohe Artenzahl auf, allein bei dieser Begehung wurden über 160 Arten gelistet! Nachfolgend einige Anmerkungen zu erwähnenswerten Arten:
Färber-Hundskamille (Anthemis tinctoria L.)
Die ursprüglichen Standorte der Färber-Hundskamille sind Böschungen, Dämme, Felsbänder und Trockenrasen. In letzter Zeit taucht die Art vielfach in bunten Saatmischungen auf und kann hier und da über einen längeren Zeitraum gegen die einheimische Flora bestehen, ist aber als unbeständig einzustufen und wird durch den Trassenneubau verschwinden.
Schmalblättriger Hohlzahn (Galeopsis angustifolia EHRH.)
Bereits in der „Flora von Wuppertal“ (STIEGLITZ 1987) wurde der Schmalblättrige Hohlzahn als „orbitophile“, d.h. stadtbegleitende, Art eingeordnet und nur auf Bahnhöfen aufgelistet: Bhf. Ottenbruch, Mirke, Wüfrath, Ronsdorf. Ursprünglich in Steinschuttfluren, hat er sich ganz auf die Bahnschotter und flachgründigen Bahnsteiganlagen spezialisiert. Die stabilen Bestände, die sich seit der letzten Beobachtung vor 20 Jahren gebildet haben, lassen die Art als eingebürgert erscheinen. Allerdings wird die Art durch die Umwandlung der Schotteranlagen in asphaltiertes Areal sehr stark zurückgehen, wenn nicht verschwinden!
Scharfes Berufkraut (Erigeron acris L.)
Das Scharfe Berufkraut gehört in Kalkmagerrasen, aber auch in Schuttfluren, und ist häufig auf dem Bahnsteig Mirke anzutreffen. In Wuppertal kommt es in den Kalkgebieten des Westens vor, im Stadtgebiet selbst ist es bisher nicht beobachtet worden.
Mäuseschwanz-Federschwingel (Vulpia myuros (L.) C.C.GMEL.)
Ein typischer Bahnbegleiter ist dieses zierliche Gras, das entlang der gesamten Märkischen Linie auf Bahnsteigen, im Schotter und im lückigen Randbewuchs anzutreffen ist. Vergesellschaftet ist es häufig – z.B. im Bereich des Rangierbahnhofs Vohwinkel – mit dem kleinen Filzkraut, das bisher in Mirke nicht gefunden wurde.
Mauerraute (Asplenium ruta-muraria)
Dieser zierliche Farn ist ein ausgesprochener Kalkzeiger. Er wurde in den Mauerfugen des Bahnsteigs gefunden. Das zeigt an, dass der Bahnsteig mit Kalkmörtel gebaut wurde! Auch diese Art wird es an dieser Stelle beim Neubau der Trasse nicht mehr geben.
Purpur-Storchschnabel (Geranium purpureum L.)
Der Purpur-Storchschnabel ist eine Art, die leicht mit dem nah verwandten Stink-Storchschnabel oder Ruprechtskraut (Geranium robertianum) verwechselt werden kann, er besiedelt auch gleiche Standorte im Gleisschotter. Er ist sicher oft übersehen worden, im Bereich der Trasse wurde er bisher in Ottenbruch und Mirke registriert. Wie selten er in Nordrhein-Westfalen ist, zeigt die Verbreitungskarte aus HAEUPLER et al. 2003. Er ist an der Farbe der Staubblätter schnell vom Stinkstorchschnabel zu unterscheiden:
Staubblätter rot: Geranium robertianum
Staubblätter gelb: Geranium purpureum
Auch der Purpur-Storchschnabel wird die Umwandlung des Schotterbettes nicht überleben.
Schwarznessel (Ballota nigra s.l.)
Die Schwarznessel zählt zu den „orbitophilen“ (s.o.) und nitrophilen, also stickstoffliebenden Arten.Auf dem Bahnhof Mirke muss man sie als unbeständig einordnen. Die Pflanze ist vermutlich mit Bahnfracht eingeschleppt worden und hat sich auf dem Bahnsteig, wo er relativ wenig Konkurrenzdruck zu ertragen hat, bis jetzt behaupten können.
LITERATUR:
HAEUPLER,H., A.JAGEL & W. SCHUMACHER (2003): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen in Nordrhein-Westfalen. Hrsg.: Landesanstalt für Ökologie, Bodenorsnung und Forsten NRW, Recklinghausen.
STIEGLITZ, W. (1987) Flora von Wuppertal. Beiheft 1 der Jahresberichte des Naturwissen-schaftlichen Vereins Wuppertal.
Die Pflanzen des Bahnhofs Mirke (21.6.2008, Nachlese 8.7.2008)
(Nomenklatur nach OBERDORFER)
Acer platanoides
Acer pseudoplatanus
Achillea millefolium
Aegopodium podagraria
Aesculus hippocastanum
Aethusa cynapium
Agrimonia eupatoria
Agropyron repens
Agrostis alba
Agrostis capillaris
Agrostis tenuis
Alliaria officinalis
Alnus glutinosa
Anagallis arvensis
Anthemis tinctoria
Anthoxanthum odoratum
Anthriscus sylvestris
Arabidopsis thaliana
Arctium lappa
Arenaria serpyllifolia
Artemisia vulgaris
Asplenium ruta muraria
Athyrium filix femina
Atriplex papula
Ballota fetida
Barbarea vulgaris
Bellis perennis
Betula alba
Bromus mollis
Bromus sterilis
Buddleja davidii
Calamagrostis epigeios
Calystegia sepium
Capsella bursa pastoris
Cardamine flexuosa
Carex hirta
Carex muricata
Centaurea jacea
Cerastium holosteoides
Chaenorrhinum minus
Chaerophyllum temulum
Chelidonium majus
Chenopodium album
Chrysanthemum laucanthemum
Circaea lutetiana
Cirsium arvense
Cirsium vulgare
Clematis vitalba
Convolvulus arvensis
Conyza canadensis
Cornus sanguinea
Crataegus monogyna
Cytisus scoparius
Dactylis glomerata
Dryopteris filix mas
Echium vulgare
Epilobium angustifolium
Epilobium hirsutum
Epilobium montanum
Epilobium parviflorum
Equisetum arvense
Erigeron acris
Erodium cicutarium
Fagopyrum esculentum
Festuca glauca
Festuca pratensis
Fragaria vesca
Fraxinus excelsior
Fumaria officinalis
Galeopsis angustifolia
Galeopsis tetrahit
Galium aparine
Galium mollugo
Geranium columbinum
Geranium molle
Geranium purpureum
Geranium pusillum
Geranium pyrenaicum
Geranium robertianum
Geum urbanum
Glechoma hederacea
Herniaria glabra
Hieracium piloselloides
Hieracium sabaudum
Hieracium umbellatum
Holcus lanatus
Hordeum murinum
Hypericum perforatum
Juglans regia
Juncus tenuis
Lactuca serriola
Lamium album
Lathyrus pratensis
Linaria vulgaris
Lolium perenne
Lotus corniculatus
Malva moschata
Matricaria recutita
Matricaria discoidea
Medicago lupulina
Melilotus albus
Melilotus officinalis
Mercurialis annua
Myosotis arvensis
Oenothera biennis
Phleum pratense
Picris hieracioides
Plantago intermedia
Plantago lanceolata
Plantago major
Plantago sphaerostachya
Poa annua
Poa compressa
Poa nemoralis
Poa pratensis
Poa trivialis
Polygonum aviculare
Polygonum cuspidatum
Polygonum hydropiper
Polygonum lapathifolium
Polygonum persicaria
Potentilla anserina
Potentilla norvegica
Potentilla reptans
Prunus spinosa
Ranunculus repens
Reseda lutea
Rhus typhina
Robinia pseudoacacia
Rubus caesius
Rumex abtusifolius
Rumex acetosa
Rumex crispus
Ruubus fruticosus agg.
Sagina procumbens
Salix alba
Salix fragilis
Sambucus nigra
Saponaria officinalis
Scrophularia nodosa
Senecio erucifolius
Senecio inaequidens
Silene alba
Silene vulgaris
Sinapsi arvensis
Sisymbrium officinale
Solanum nigrum
Solidago gigantea
Sonchus arvensis
Sonchus asper
Stachys selvatica
Stellaria media
Symphoricarpos rivularis
Symphytum officinale
Tanacetum vulgare
Trifolium campestre
Trifolium repens
Tripleurospermum inodorum
Urtica dioica
Valeriana officinalis
Verbascum nigrum
Verbascum thapsus
Veronica serpyllifolia
Vicia sativa
Vicia sepium
Vulpia myuros