Felsheiden, Trockenrasen und bachbegleitende Gesellschaften im Bereich des unteren Nettetals (Mayen, Osteifel)
Am 10.05.2009 fuhr die Botanische Sektion zu einer naturkundlichen Exkursion in das Maifeld (Osteifel). Ziel waren die Felsheiden, Trockenrasen und bachbegleitenden Gesellschaften im Bereich der Nette.
Der erste Exkursionspunkt war eine Felsnase oberhalb der Nette am „Triacca-Weg“ in Mayen. Hier wurden die unterschiedlichen geologischen Voraussetzungen für die hohe Diversität in der Pflanzenwelt erklärt: Das Rumpfgebirge ist dem Unterdevon zuzuordnen, das hier als Schiefer ansteht. Reine Tonschiefer werden hier schon seit Jahrhunderten als Dachschiefer gewonnen. Sandige Beimengungen machen die Schiefer für die Dachschiefergewinnung unbrauchbar.
Sehr viel jüngeren Datums sind die vulkanischen Aktivitäten. Mayen liegt am Südwestrand des Osteifel-Vulkanfeldes, der höchste Vulkan ist der Hochsimmer, der etwa 400000 Jahre alt ist. Jüngeren Datums ist der Ettringer Bellerberg, dessen Lavafluss das Nettetal südlich von Mayen erreicht hat. Die Lava ist hier in mehr oder weniger gleichmäßige Säulen gegliedert. Diese vulkanischen Basalte reagieren - im Gegensatz zu den sauren Verwitterungsprodukten des Devons – neutral und schwach basisch.
Die Felsnase ist botanisch charakterisiert durch ein Xerobrometum, das ist eine Pflanzengesellschaft, die auf Felsrippen mit geringer Bodenkrume und hohem Wärmehaltungsvermögen vorkommt. Typisch sind Arten mit einer hohen Anpassung an die extreme Sonneneinstrahlung, z.B. durch eingerollte Blätter bei den Gräsern. Flügelginster (Genistella sagittalis), Karthäusernelke (Dianthus carthusianorum) und Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata) setzen bunte Farbtupfer, die Fruchtstände der Küchenschelle (Anemone pulsatilla) bedecken die Kuppe. (Anmerkung: Die Pflanzenliste der besonderen Arten für alle Exkursionspunkte befindet sich im Anhang!)
Die senkrecht einfallenden Basaltsäulen der Felswand am Triaccaweg bieten auf den schmalen Felsvorsprüngen genügend Platz für eine farbenfrohe Pflanzenwelt: Graslilie (Anthericum liliago), Natternkopf (Echium vulgare), Felsen-Fingerkraut (Potentilla rupestris), Karthäusernelke (Dianthus carthusianorum), Saatdotter (Camelina sativa), Edel-Garbe (Achillea nobilis), Färber-Waid (Isatis tinctoria), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) und viele weitere Arten bilden ein farbenfrohes Mosaik.
Nächstes Ziel war das Naturdenkmal Trimbs, ein Magerrasen, der durchsetzt ist mit felsigen lückigen Stellen. Hier ist das Thero-Airion, ein Kleinschmielen-Rasen mit botanischen Raritäten wie Bauernsenf (Teesdalia nudicaulis), Nelkenschmiele (Aira caryophyllea), Ausdauernder Knäuel (Scleranthus perennis), Hungerblümchen (Erophila verna) und Sand-Vergißmeinnicht (Myosotis stricta) besonders reichhaltig ausgebildet. In einem schwer zugänglichen Gebüsch am Nordrand des Naturdenkmals haben sich große Bestände des Manns-Knabenkrauts (Orchis mascula), einige Helm-Knabenkräuter (Orchis militaris) und ein Exemplar des Diptams (Dictamnus albus) versteckt. Den Rückweg begleiten Schierling (Conium maculatum), Lacksenf (Rhynchosinapis cheiranthos), verschiedene Streifenfarne (Asplenium septentrionale, A. adiantum-nigrum) und Mauer-Felsenblümchen (Draba muralis).
Am Nachmittag stand ein Spaziergang an der Nette von Trimbs nach Welling auf dem Programm. Dieser Abschnitt der Nette gehört zu den ursprünglichsten Bereichen des Flusses: Mäandrierender Flussverlauf, Galeriewälder, ausgeprägte Hartholz- und Weichholzaue, nitrophile bachbegleitende Wiesen mit Brennessel (Urtica dioica), Beinwell (Symphytum officinale, S. uplandicum), Wald-Storchschnabel (Geranium silvaticum) und Witwenblume (Knautia arvensis) machen diesen Abschnitt sehr reizvoll. Das Mäandrieren der Nette spielt für die Ausbildung von kleinklimatischen Besonderheiten eine Rolle, da durch die unterschiedliche Laufrichtung sowohl Steilhänge mit intensiver Sonneneinstrahlung als auch schattige Nordeinschnitte und dadurch ein Mosaik unterschiedlichster Pflanzengesellschaften entstehen. Zur Mäanderbildung noch eine imponierende Zahl: Man hat errechnet, dass bei der Nette auf 20 km gradliniger Messung eine tatsächliche Flusslänge von 50 km vorliegt!
Das Nettetal ist klimatisch besonders begünstigt, das schlägt sich in einem hohen Anteil (etwa 50%) an submediterranen Arten nieder, das sind Pflanzen, die ihre Hauptverbreitung in der Region des Flaumeichenwaldes am nördlichen Mittelmeerrand haben.
In den devonischen Schieferfelsen fand sich als große Rarität der Wendisch (Calepina irregularis), dann Doldige Wucherblume (Chrysanthemum corymbosum), Edelgarbe (Achillea nobilis), Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus), Wimper-Perlgras (Melica ciliata), Schwarzstieliger und Nordischer Streifenfarn (Asplenium adiantum-nigrum, A.septentrionale).
Den Abschluß bildete ein Besuch der Kirche St. Paulinus in Welling. Diese Kirche besteht nur noch aus dem Turm und dem Chor, der zu einer Kapelle mit wertvollen Kunstschätzen umgewandelt wurde, das Mittelschiff wurde im 19. Jahrhundert abgerisssen. Auf dem Friedhof an der Kirche hat man Basaltkreuze mit Inschriften und Berufssymbolen aus vielen Jahrhunderten zusammengetragen.
Die Beobachtungen der Entomologen und Ornithologen rundeten das naturkundliche Ergebnis dieser Exkursion ab. Blutzikaden, Aurorafalter, Schwalbenschwänze und verschiedene Käfer konnten bewundert werden. Der Gesang von Klappergrasmücke, Pirol und unzähligen Nachtigallen machten diese Wanderung zu einem eindrucksvollen Erlebnis, das bei der Nachsitzung im Gasthaus zur Post in Welling noch fröhlich diskutiert wurde.
Wolf Stieglitz
Anhang: Pflanzenlisten der einzelnen Exkursionspunkte
Vorbemerkung: In diesen Pflanzenlisten sind auch Arten enthalten, die zum Exkursionszeitpunkt bereits verblüht sind oder später blühen, alle hier aufgeführten Arten sind vom Verf. gesehen worden, die Angaben stammen von früheren Exkursionen. Sie sollen hier aufgeführt werden, einmal um dem Benutzer, so er diese Gegend zu einem anderen Zeitpunkt aufsucht, als Orientierungshilfe zu dienen, zum anderen, um die Vielfalt der Flora zu dokumentieren.
1. Mayen
a) Felsnase zwischen der Hausener Straße und der Umgehungsstraße
Amelanchier ovalis (Felsenbirne)
Anemone pulsatilla (Kuhschelle)
Artemisia campestris (Feld-Beifuß)
Asperula cynanchica (Hügel-Meier)
Bunias orientalis (Morgenländische Zackenschote)
Cotoneaster integerrima (Zwergmispel)
Descurainia sophia (Sophienkraut)
Dianthus carthusianorum (Karthäuser-Nelke)
Erophila verna (Hungerblümchen
Festuca glauca (Blaugrüner Schwingel)
Festuca ovina agg. (Schafschwingel)
Genista pilosa (Behaarter Ginster)
Genistella sagittalis (Flügel-Ginster)
Jasione montana (Berg-Sandglöckchen
Koeleria gracilis (Schillergras)
Potentilla argentea (Silber-Fingerkraut)
Potentilla neumanniana (Frühlings-Fingerkraut)
Scleranthus perennis (Ausdauernder Knäuel)
Sedum album (Weiße Fetthenne)
Valerianella locusta (Rapunzel)
Vicia cracca (Vogel-Wicke)
b) Ackerwildkrautvegetation am Fuß der Felsnase
Anchusa arvensis (Acker-Krummhals)
Aphanes arvensis (Acker-Frauenmantel)
Arabidopsis thaliana (Schmalwand)
Buglossoides arvensis (Acker-Steinsame)
Conium maculatum (Gefleckter Schierling)
Fumaria officinalis (Erdrauch)
Geranium pyrenaicum (Pyrenäen-Storchschnabel)
Thlaspi arvense (Acker-Hellerkraut)
Turritis glabra (Kahles Turmkraut)
Veronica persica (Persicher Ehrenpreis)
Viola arvensis (Acker-Stiefmütterchen)
c) Basaltfelsen am Triaccaweg
Achillea nobilis (Edel-Garbe)
Anthemis tinctoria (Färber-Hundskamille
Anthericum liliago (Astlose Graslilie
Artemisia absinthium (Wermut)
Artemisia campestris (Feld-Beifuß)
Biscutella laevigata (Brillenschötchen)
Bromus sterilis (Taube Trespe)
Bromus tectorum (Dach-Trespe)
Calepina irregularis (Wendisch)
Camelina sativa (Saatdotter)
Cardaria draba (Pfeilkresse)
Coronilla varia (Bunte Kronwicke)
Dianthus carthusianorum (Krathäuser-Nelke)
Draba muralis (Mauer-Felsenblümchen)
Echium vulgare (Natternkopf)
Eryngium campestre (Feld-Mannstreu)
Isatis tinctoria (Färber-Waid)
Myosotis stricta (Steifes Vergißmeinnicht)
Potentilla rupestris (Felsen-Fingerkraut)
Reseda luteola (Färber-Wau)
Salvia pratensis (Wiesen-Salbei)
Saxifraga granulata (Knöllchen-Steinbrech)
Sedum album (Weiße Fetthenne)
Sedum rupestre (Felsen-Fetthenne)
Stachys recta (Aufrechter Ziest)
Vicia tenuifolia (Schmalblättrige Wicke)
2. Trimbs
a) Weg zum Naturdenkmal
Aquilegia vulgaris (Akelei)
Astragalus glycyphyllos (Süße Bärenschote)
Bunias orientalis (Morgenländische Zackenschote)
Campanula persicifol. (Pfirsichblättr. Glockenblume)
Descurainia sophia (Sophienkraut)
Draba muralis (Mauer-Felsenblümchen)
Echinops sphaerocephalus (Kugeldistel)
Galium verum (Echtes Labkraut)
Geranium molle (Weicher Storchschnabel)
Geranium pusillum (Kleiner Storchschnabel)
Helleborus foetidus (Stinkende Nieswurz)
Hungerblümchen (Erophila verna)
Lepidium campestre (Feldkresse)
Melampyrum arvense (Acker-Wachtelweizen)
Potentilla argentea (Silber-Fingerkraut)
Potentilla neumanniana(Frühlings-Fingerkraut)
Prunus mahaleb (Steinweichsel)
Rhynchosinapis cheiranthos (Lacksenf)
Saxifraga granulata (Knöllchen-Steinbrech)
Sedum acre (Mauerpfeffer)
Stachys recta (Aufrechter Ziest)
Thlaspi perfoliatum (Durchblättertes Hellerkraut)
b) Hochfläche des Naturdenkmals
Aira caryophyllea (Nelkenschmiele)
Anemone pulsatilla (Kuhschelle)
Dianthus carthusianorum (Karthäuser-Nelke)
Dictamnus albus (Diptam)
Erophila verna (Hungerblümchen)
Genistella sagittalis (Flügel-Ginster)
Helianthemum nummularium (Sonnenröschen)
Helleborus foetidus (Stinkende Nieswurz)
Lepidium campestre (Feld-Kresse)
Myosotis stricta (Sand-Vergißmeinnicht)
Orchis mascula (Manns-Knabenkraut)
Orchis militaris (Helm-Knabenkraut)
Phleum boehmeri (Boehmers Lieschgras)
Primula veris (Frühlings-Schlüsselblume)
Scleranthus perennis (Ausdauernder Knäuel)
Sedum album (Weiße Fetthenne)
Senecio vernalis (Frühlings-Fingerkraut)
Teesdalia nudicaulis Bauernsenf)
Viola hirta (Raues Veilchen)
c) Rückweg zum Parkplatz
Asplenium adiantum nigrum (Schwarzstieliger Streifenfarn)
Asplenium septentrionale (Nordischer Streifenfarn)
Ballota foetida (Stink-Andorn)
Centaurea scabiosa (Skabiosen-Flockenblume)
Draba muralis (Mauer-Felsenblümchen)
Conium maculatum (Gefleckter Schierling)
Cotoneaster integerrimus (Felsenmispel)
Euphorbia esula (Scharfe Wolfsmilch)
Helleborus foetidus (Stinkende Nieswurz)
Malva moschata (Moschus-Malve)
Melampyrum arvense (Acker-Wachtelweizen)
Potentilla rupestris (Felsen-Fingerkraut)
Rhynchosinapis cheiranthos (Lacksenf)
Scleranthus perennis (Ausdauender Knäuel)
Viola hirta (Raues Veilchen)
3. Nettetalweg von Trimbs nach Welling
Achillea nobilis (Edel-Garbe)
Arabis hirsuta (Behaarte Gänsekresse)
Artemisia absinthium (Wermut)
Artemisia campestris (Feld-Beifuß)
Asplenium adiantum-nigr.(Schwarzstiel.Streifenfarn)
Asplenium septentrionale (Nordischer Streifenfarn)
Asplenium trichomanes (Braunstieliger Streifenfarn)
Ballota foetida (Stink-Andorn)
Bromus tectorum (Dach-Trespe)
Calepina irregularis (Wendisch)
Cardaria draba (Pfeilkresse)
Ceterach officinarum (Milzfarn)
Chrysanthemum corymbosum (Dolden-Wucherblume)
Cruciata laevipes (Kreuz-Labkraut)
Draba muralis (Mauer-Felsenblümchen)
Euphorbia esula (Scharfe Wolfsmilch)
Geranium columbinum (Stein-Storchschnabel)
Geranium sylvaticum (Wald-Storchschnabel)
Helianthemum nummularium (Sonnenröschen)
Helleborus foetidus (Stinkende Nieswurz)
Helleborus viridis (Grüne Nieswurz)
Jasione montana (Berg-Sandglöckchen)
Lamium maculatum (Gefleckte Taubnessel)
Lepidium campestre (Feld-Kresse)
Lithospermum officinale (Steinsame)
Melica ciliata (Wimpern-Perlgras)
Polypodium vulgare (Tüpfelfarn)
Potentilla argentea (Silber-Fingerkraut)
Potentilla micrantha (Kleinblütiges Fingerkraut)
Scrophularia umbrosa (Flügel-Braunwurz)
Sedum rupestre (Felsen-Fetthenne)
Silene nutans (Nickendes Leimkraut)
Stachys recta (Aufrechter Ziest)
Thymus pulegioides (Feld-Thymian)
Turritis glabra (Kahles Turmkraut)