Das Raupenstadium
Das Raupenstadium ist das eigentliche „Fraß - Stadium“ der Schmetterlinge. Die Raupen der Schmetterlinge sind aus zwei deutlich zu unterscheidenden Teilen zusammengesetzt: dem Kopf und dem Leib. Der Kopf besteht aus einer harten Chitinkapsel und trägt die Kauwerkzeuge, die Spinndrüsen, die Sinnesorgane zum Tasten und Riechen sowie einige Punktaugen. Mit den Punktaugen können die Raupen wahrscheinlich nur hell und dunkel unterscheiden. Der Leib besteht aus insgesamt 13 Segmenten. Aus den ersten 3 Segmenten entsteht der spätere Brustteil des Schmetterlings, die restlichen 10 werden zum Hinterleib umgewandelt. Viele Raupen besitzen praktisch keine Haare (z. B. Spannerraupen), andere sind sehr stark behaart (z.B. Raupen der Bärenspinner, daher auch der Name). | |
Schmetterlingsraupen besitzen im Regelfall insgesamt acht Beinpaare: die vorderen drei Paare sind spitz und hart. An ihrer Stelle bilden sich die Beine des Schmetterlings. Am Leib der Raupe befinden sich vier Paar weiche Bauchfüße, die mit einem Kranz feiner Häkchen besetzt sind, um sich damit festzuhalten. Am Hinterende findet man den sogenannten Nachschieber, der ähnlich wie die Bauchfüße aufgebaut ist. Eine Ausnahme von diesem Aufbau bilden lediglich die Raupen der Spanner und einiger Eulenfalter, bei denen bis auf das hintere Paar die Bauchfüße weitgehend zurückgebildet sind. Diese Raupen fallen durch ihre Fortbewegung auf, da sie nicht kriechen, sondern eine Brücke bilden, indem sie die hinteren Füße direkt hinter die Vorderfüße setzen. Die beiden typischen Raupenformen sind links gezeigt (oben: Raupenform der Tagfalter und der meisten Nachtfalter, unten: Spannerraupe (k=Kopf, b=Brustsegmente, h=Hinterleibsegmente). | |
Im Raupenstadium sind die Tiere zahlreichen Gefahren ausgesetzt, so dass nur ein Bruchteil der aus den Eiern geschlüpften Tiere überhaupt das Puppenstadium erreicht. Zu den Hauptfeinden der Schmetterlingsraupen gehören neben Vögeln, Spinnen, Wespen und anderen Raubinsekten, vor allen Dingen Parasitoide wie Schlupfwespen und Raupenfliegen (Bild rechts: Tote Raupe des Tagpfauenauges mit Kokon einer Schlupfwespe). Diese Tiere legen ihre Eier direkt an oder in den Körper der lebenden Raupe. Die Larven der Parasitoide wachsen dann in dem Raupenkörper heran, ohne der Raupe zunächst wesentlichen Schaden zuzufügen. Erst wenn ihre Entwicklung abgeschlossen ist, bohren sich die Maden aus dem Raupenkörper um sich zu verpuppen. | |
| Überlebt eine Raupe alle diese Widrigkeiten, so wird sie kontinuierlich wachsen und dabei mehrere Raupenstadien durchlaufen. Die Raupenhaut besteht aus Chitin. Da dieses Material nur sehr begrenzt dehnbar ist, muss sich die Raupe gelegentlich häuten und sich auf diese Weise eine größere Haut zulegen (Bild links: frisch gehäutete Raupe des Atlasspinners). Meist häuten sich die Raupen drei- bis viermal bis sie erwachsen sind und durchlaufen dementsprechend vier bis fünf Raupenstadien bevor sie sich verpuppen. Manche Raupen wechseln bei jeder Häutung die Farbe und passen sich so der wechselnden Umgebung an. So ist z.B. die Raupe des Ulmenzipfelfalters im ersten Stadium noch braun und frisst an den Blütenknospen der Ulmen. Während die Ulme im Frühling ergrünt, färbt sich auch die Raupe von Häutung zu Häutung zunehmend grün. |
Um letztlich das Raupenstadium zu überleben und das Puppenstadium zu erreichen, haben die Schmetterlingsraupen eine Reihe von Strategien entwickelt, um nicht gefressen zu werden: Fallenlassen und Abseilen Die meisten Raupen halten sich am Tage verborgen. Wird eine Raupe dennoch z.B. von einem Vogel aufgespürt, so lässt sie sich einfach fallen oder seilt sich an einem Spinnfaden ab, um später, wenn die Gefahr vorüber ist, wieder an ihren alten Platz zurückzukehren. Dieses Verhalten kann man sich im Übrigen bei der Suche nach Raupen zu Nutze machen: Man hängt einen geöffneten Schirm umgedreht an einen Ast, auf den man anschließend heftig schlägt (unter Schmetterlingskundlern nennt man das „Raupenklopfen“). Es ist erstaunlich, wie viele Raupenarten sich in dem Schirm sammeln, die man mit dem bloßen Auge nie gefunden hätte. | |
| Tarnung Eine weitere Überlebensstrategie ist die Tarnung. Raupen, die sich durch Tarnung schützen, besitzen Farben und Formen, mit denen sie auf dem Untergrund nicht auffallen (z.B. Beifuß - Mönch). Manche Raupen sehen aus wie ein Ast und man würde sie selbst dann nicht entdecken, wenn man sie direkt vor Augen hat. Diese Art der Tarnung ist besonders bei den Spannern sehr verbreitet. Raupen, die sich überwiegend auf Blättern aufhalten, sind häufig grün gefärbt. Manche Arten leben auch an verschiedenen Blüten (z. B. Faulbaumbläuling). Die Raupen des Faulbaumbläulings treten in rötlichen und grünlichen Varianten auf. Die rötliche Form ist kaum zu entdecken, wenn sie an Heidekrautblüten frisst. Die grüne Form ist umgekehrt auf Efeublüten perfekt getarnt. |
Täuschung Einige Raupen setzten auf Täuschung. Hier unterscheidet man die Mimese und die Mimikry. Unter Mimese versteht man die Vortäuschung eines ungenießbaren Objekts. So sieht die Raupe des Zickzack - Zahnspinners wie Vogelkot aus. Mimikry hingegen ist die Vortäuschung eines gefährlichen Tieres. Häufig benutzen die Raupen dann auffällige „Warnfarben“ z.B. gelb und schwarz, wie sie auch bei Bienen und Wespen auftreten (z. B. Königskerzen - Mönch und Jakobskrautbär). Sie signalisieren damit: Ich bin nicht genießbar, giftig oder wehre mich. Die Raupen der Schwärmer tragen am Hinterende einen „Schwanz“, der an einen Stachel erinnert (z. B. Abendpfauenauge). Die Raupe des Mittleren Weinschwärmers besitzt zudem noch auffällige Augenflecke, so dass sie wie eine Schlange aussieht. Wenn eine Raupe Mimikry einsetzt, bedeutet dies allerdings keineswegs, dass sie auch wirklich gefährlich ist. Es genügt häufig auch, nur so zu tun als ob. Zudem gibt es noch eine einheimische Raupe, die in jeder Hinsicht Maßstäbe setzt: Die Raupe des Großen Galbelschwanz kann zwei rot-weiße Tentakel am Hinterleib ausfahren, die dann kreisende Bewegungen vollführen. Außerdem zieht sie den großen Kopf in den Körper zurück, so dass ein roter Ring erscheint, der mit zwei schwarzen Augenflecken versehen ist. Dies mag so manchen Fressfeind abschrecken, besonders weil die Raupe auch noch ätzende Ameisensäure absondern kann. | |
Gift- und Geruchsstoffe Manche Raupen sind ungenießbar (z. B. Schwalbenschwanz). Die Schwalbenschwanzraupe besitzt eine anatomische Besonderheit, eine ausstülpbare Nackengabel, über die sie einen penetrant - unappetitlich süßlichen Geruch verströmen kann. Der Jakobskrautbär frisst an dem giftigen Jakobskreuzkraut, welches z.B. auch von Kühen auf der Weide konsequent stehen gelassen wird. Die enthaltenen Giftstoffe nimmt das Tier auf und ist dann selbst unbekömmlich. Einige Raupen erzeugen ihre Gifte auch selbst. So synthetisieren die Raupen und auch die Falter der Widderchen Zyanidverbindungen (Cyano - Glycoside), aus denen sie durch enzymatische Spaltung die hochgiftige Blausäure freisetzen. Die Tiere sind selbst resistent gegenüber Blausäure. | |
Behaarung Viele Schmetterlingsraupen versuchen sich Feinde durch eine dichte Behaarung vom Leib zu halten (Schwammspinner). Räuber wie z.B. Spinnen oder Parasitoide wie Schlupfwespen und Raupenfliegen können dann kaum an den Körper der Raupen gelangen. Zudem können Vögel stark behaarte Raupen schlecht verschlucken. Die Haare mancher Raupen sind zudem mit Giften oder haut- und schleimhautreizenden Stoffen versehen, um Angreifer abzuwehren. Daher sollte man behaarte Raupen besser nicht mit bloßen Händen anfassen. So rufen beispielsweise die Haare der Brombeerspinnerraupe heftige allergische Reaktionen auf der Haut hervor. | |
Beschützer Die Raupen einiger Schmetterlingsarten versuchen, Feinde abzuwehren, indem sie eine Armee von Beschützern rekrutieren. Diese Strategie ist besonders in der Familie der Bläulinge sehr beliebt (Bild rechts: Schwarzfleckiger Ameisen-Bläuling). Die Raupen sondern ein süßes Sekret ab, welches gerne von Ameisen aufgenommen wird. Im Gegenzug verteidigen die Ameisen die Raupen gegen ihre Feinde. Eine ähnliche Symbiose beobachtet man auch zwischen Blattläusen und Ameisen. |
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| „Mordraupen“ Unvoreingenommen hält man Raupen für friedliche Tiere, die nur damit beschäftigt sind, Blätter zu fressen. Es gibt jedoch einige wenige Schmetterlingsarten, deren Raupen dazu neigen, sich gegenseitig umzubringen. Vermutlich beseitigen sie so ungeliebte Konkurrenz auf ihrer Futterpflanze. Dies beobachtet man häufig bei den Raupen des Aurorafalters und des Faulbaumbläulings. Manche Raupen (z.B. Trapezeule) fressen, zumindest unter Zuchtbedingungen, andere Arten. Daher nennt man diese oft auch „Mordraupen“. |